Aus Sicht der Deutschen Kreditwirtschaft stellt der für den 31. Januar 2020 vorgesehene Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) einen unerfreulichen Einschnitt in der europäischen Entwicklung dar. „Wir hätten uns ein Fortbestehen des guten Verhältnisses innerhalb der EU gewünscht. Die britischen Wähler haben sich aber für einen Austritt entschieden. Nun gilt es, mit Blick nach vorn und konsequenten Verhandlungen die enge Partnerschaft auf neue Füße zu stellen“, sagt Marija Kolak, Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, dem diesjährigen Federführer der Deutschen Kreditwirtschaft. Der Handel Großbritanniens mit den EU-Ländern wurde bereits in den vergangenen Jahren durch die Unsicherheit im Zusammenhang mit der Austrittsdebatte geschwächt. Daher sei nun alles zu unternehmen, mit dem auszuhandelnden Abkommen weitere Wachstumsdämpfer zu vermeiden.
Trotz des geregelten Austritts bleiben aus Sicht der Deutschen Kreditwirtschaft mit Blick auf die Finanzmärkte viele Fragen offen. Es ist fraglich, ob es bis Ende des Jahres gelingen wird, ein umfassendes Handelsabkommen zu schließen. Darin sollte zumindest eine enge Zusammenarbeit in der Finanzmarktregulierung und -aufsicht vereinbart werden, um ein level playing field zu gewährleisten. Für den europäischen Finanzplatz kann der Austritt Großbritanniens zu einer Stärkung führen. Erste Anzeichen sind zum Beispiel bei der Eurex Clearing in Frankfurt zu beobachten, die im Zuge des Brexits Marktanteile hinzugewinnen konnte.
„Die Bundesregierung sollte sich in den anstehenden Verhandlungen der EU mit dem Vereinigten Königreich zu den künftigen wirtschaftlichen Beziehungen für eine weitere Stärkung des Finanzstandorts Deutschlands einsetzen. Dies gilt insbesondere für die Verhandlungen in den Bereichen Investitionen, Finanzdienstleistungen sowie Kapital- und Zahlungsverkehr“, unterstreicht Kolak. Insofern unterstützt die Deutsche Kreditwirtschaft den aktuellen Beschluss des Deutschen Bundestags zum Verhandlungsmandat über die künftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich. Darin wird richtigerweise gefordert, die Handelsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich auch in Zukunft so eng und reibungslos wie möglich auszugestalten und faire Wettbewerbsbedingungen als Leitgedanken zu verankern.
Wichtig ist aus Sicht der Deutschen Kreditwirtschaft, dass die EU die notwendigen Äquivalenzentscheidungen im Finanzbereich zügig angeht. Im Einklang mit dem europäischen Aufsichtsrahmen seien die erforderlichen Rahmenbedingungen für den grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr zwischen Marktteilnehmern in der EU und dem auch nach dem EU-Austritt des Vereinigten Königreichs weiterhin wichtigen Finanzplatz London zu schaffen. Dies betreffe vor allem Entscheidungen im Hinblick auf Clearingstellen (zentrale Gegenparteien/CCPs), Handelsplätze für Derivate, Aktien und Zentralverwahrer.
Aufgrund des Umfangs der anstehenden Verhandlungen während der Übergangsphase besteht die Gefahr, dass die im Austrittsvertrag vorgesehene Zeit bis zum Jahresende 2020 nicht ausreicht, um alle relevanten Regelungen zu treffen. Daher sollte eine Verlängerung der Übergangszeit zumindest nicht kategorisch ausgeschlossen werden.