Kapitalmarkt und Compliance

Kapitalmarktunion

Die Pläne zu einer Kapitalmarktunion (CMU) möchten im Kern einen einheitlichen europäischen Kapitalmarkt schaffen, der keinen großen Hürden bei grenzüberschreitenden Transaktionen unterliegt.

Vorbild ist der US-Kapitalmarkt. Anlass aktuell verstärkter Diskussionen ist die notwendige Transformation der europäischen Wirtschaft, wofür auch privates Kapital mobilisiert werden muss. Viele Einzelmaßnahmen der bisherigen Aktionspläne der EU-Kommission sind von der Idee her grundsätzlich sinnvoll, ein schlüssiges Gesamtkonzept, das die grundlegenden Defizite aufgreift, fehlt aber. Einzelne Vorschläge, wie aktuell die Retail Investment Strategy, drohen sogar das Wertpapiergeschäft noch weiter zu verkomplizieren.

Aus unserer Sicht ist elementar, dass grenzüberschreitende Wertpapiergeschäfte genauso einfach, rechtssicher und kostengünstig sind wie Inlandsgeschäfte. Dafür braucht es vor allem einen einheitlichen Rechtsrahmen in Europa: Hürden im Steuer- und Insolvenzrecht scheinen schwer überwindbar, wir sehen insbesondere beim Insolvenzrecht viele Hindernisse. Verbriefungen können allerdings direkt zur Finanzierung von Unternehmen beitragen oder zusätzliche Spielräume für die Vergabe von Krediten schaffen. Wir unterstützen eine Überarbeitung des Verbriefungsrahmenwerkes. Wichtig ist bei der CMU auch, dass weiterhin die Finanzierungsquellen – kredit- und kapitalmarktbasierte – in einem ausgewogenen Verhältnis stehen und sich sinnvoll ergänzen.

T+1 und T+0 in Europa

Obwohl die Angleichung der europäischen Abwicklungszyklen an Schlüsselmärkte wie die USA und Kanada (und somit die Änderung zu T+1) grundsätzlich vorteilhaft erscheint, könnte der Übergang von T+2 auf T+1 für kleinere und mittelgroße Institute ohne internationale Aktivitäten möglicherweise wirtschaftlich untragbar sein.

Das Kosten-Nutzen-Verhältnis erscheint für sie durchweg negativ. Bei T+2 sehen wir kein erhöhtes, wenn nicht sogar kein Kontrahentenrisiko, weshalb die operativen Kosten und Risiken eines Wechsels zu T+1 seinen Nutzen übersteigen. Insbesondere für Institute, die ausschließlich innerhalb Europas agieren, sind keine klaren Vorteile erkennbar.

Darüber hinaus wäre der Übergang für kleinere Marktteilnehmer mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden, was zu einer Konzentration auf größere Akteure führen könnte. Damit würden geschäftliche Entscheidungen der Institute durch aufsichtsrechtliche Anforderungen erzwungen.

Im Gegensatz dazu stellt ein Übergang zu T+0 eine eher strategische Entscheidung dar. Während T+1 eine Verkürzung des Abwicklungszyklus erfordert, geht es bei der Umstellung auf T+0 um mehr als nur Effizienzsteigerung. Eine solche Änderung ist ausschließlich technologisch umsetzbar. Die Distributed-Ledger-Technologie (DLT) befindet sich noch in den Anfängen: Es existieren weder Standards, noch ist diese Technologie breit implementiert oder akzeptiert. Somit ist diese Technologie weder unmittelbar verfügbar noch leicht umsetzbar. Um reibungslose Abläufe in einer T+0-Welt zu gewährleisten, müsste wahrscheinlich zunächst eine einzige, marktweit akzeptierte digitale Plattform (wie beispielsweise die „Bloomberg OMGEO SSImple SWIAT Blockchain“) eingerichtet werden, auf die alle relevanten Teilnehmer jederzeit und von überall aus zugreifen können. Dies würde eine nahtlose Echtzeitverarbeitung von der Ausführung bis zur Abwicklung und anderen Nachhandelsprozessen ermöglichen.

Basierend auf den Rückmeldungen unserer Mitglieder gibt es keine Anzeichen dafür, dass eine T+0-Abwicklung kosteneffizienter wäre. Im Gegenteil: Aufgrund erhöhter technischer Risiken und potenzieller Verpflichtungen zur Anwesenheit von Mitarbeitern dürften die Kosten eher steigen, was wiederum indirekt zu höheren Handelskosten führen würde, die an die Kunden weitergegeben werden müssten.